Soziale Spaltung im Bildungssystem verschärft sich

Während der Corona-Krise leidet auch die Bildungsgerechtigkeit


Seit März 2020 befinden wir uns Corona-bedingt im Ausnahmezustand. Dies trifft auf nahezu alle Bereiche von Wirtschaft und Gesellschaft zu. Noch nicht in der öffentlichen Wahrnehmung angekommen ist, dass das Bildungssystem, so die frühkindliche Erziehung, Schulen, Universitäten, Sprachkurse und Berufsbildungszentren, besonders stark, in ganz eigener Weise und mit ganz eigenen Folgen vor Herausforderungen gestellt wird.  Denn im Hinblick auf die Bildungsgerechtigkeit trifft es diejenigen, die bereits vorher Schwierigkeiten hatten, einen Platz im Bildungssystem zu finden, besonders hart. Dies hat uns die Corona-Krise sehr deutlich vor Augen geführt. Die Schere der Bildungsgerechtigkeit klafft mehr denn je auseinander. Die soziale Spaltung im Bildungssystem wird durch die Corona-Pandemie verstetig und verschärft. Mehr Familien rutschen in die Armut.

Die Schließungen von Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen während der Lockdowns haben gezeigt, wie stark der Bildungserfolg und die Fortschritte in der emotionalen und sozialen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen von ihrer sozialen Herkunft abhängen. Schon der erste Lockdown hatte gezeigt, dass viele Schüler*innen den Anschluss verlieren können. Der Leidensdruck bei Schüler*innen aus ohnehin benachteiligten, oft sozial, aber auch wirtschaftlich schwachen Familien ist in der aktuellen Situation noch höher. Zudem schränkt Corona zunehmend die Teilhabe der Familien am gesellschaftlichen Leben ein und verschlechtert nachhaltig die Startchancen der Kinder und Jugendlichen für ihr zukünftiges Leben – sozial, schulisch und beruflich.

Der IB hatte schon während der ersten Schulschließungen angemerkt, dass auch die Themen „Digitalisierung in Schulen“ einschließlich Infrastruktur und Ausstattung sowie der dazugehörigen Medienkompetenz wichtig für das Gelingen des Corona-bedingten Distanzunterrichtes sind und hier großer Handlungsbedarf besteht. „Alle Schüler*innen müssen unabhängig von den Vermögensverhältnissen ihrer Eltern Zugang zu digitalen Medien haben, um ihre Chance zu wahren, dem digitalen Schulunterricht oder digitalen Betreuungsangeboten folgen zu können“, so die IB-Präsidentin Petra Merkel. Im Sinne der Chancengleichheit müssten Schulen Familien, die sich das aus eigener Kraft nicht leisten können, digitale Endgeräte zur Verfügung stellen, ergänzt Petra Merkel. Auch ein leistungsfähiger Internetanschluss muss durch die öffentliche Hand gefördert werden. Die Regelbedarfe der Grundsicherung müssen dafür deutlich erhöht werden. Das kann auch gut rechtlich begründet werden, weil ohnehin die Kosten für den laufenden Unterhalt wie zusätzliche Kosten für Hygiene und Gesundheitsschutz oder das Arbeiten im Home-Office, Wegfall der Essensversorgung in Kita und Schule und damit auch das Existenzminimum Corona-bedingt für alle gestiegen sind. Andererseits sollte eine Erhöhung des Kindergeldes in Angriff genommen werden, um die Mehrkosten für die Digitalisierung ihrer Kinder zu decken.

Aber Digitalisierung ist nur ein Faktor. Beim Zugang zu Bildung spielt nicht nur die unzureichende technische Ausstattung für den digitalen Distanzunterricht eine Rolle. Es kommen viele Komponenten zusammen. Selbst wenn die Ausstattung vorhanden ist, mangelt es in den betroffenen Familien an Rückzugs- und Lernmöglichkeiten, da oft mehrere Kinder in den Haushalten leben. Auch die fehlende Unterstützung beim Lernen und die Begleitung der Kinder bei der Bewältigung von neuem Lernstoff sind häufig nicht gewährleistet. Viele Kinder sind gänzlich auf sich alleine gestellt. Daher sind die soziale Unterstützung durch sozialpädagogische Kräfte und regelmäßiger Kontakt zu den Schüler*innen in dieser Zeit unabdingbar – beispielsweise entsprechend dem Modell der aufsuchenden Sozialarbeit. Kinder und Jugendliche werden auf diese Weise dort abholt, wo sich gerade befinden. Sie erhalten die Unterstützung, die sie gerade benötigen – auch ohne immer erst um Hilfe zu bitten.  Die Gesellschaft muss zeigen, dass auch in noch schwierigeren Situationen jemand für die Kinder und Jugendlichen da ist und den persönlichen Kontakt sucht oder aufrechterhält.

Kinder und Jugendliche, die von ihren Eltern beim Distanzunterricht unterstützt werden, haben erheblich bessere Chancen, unbeschadet aus dieser Krise hervorzugehen, als Schüler*innen, deren Eltern dies nicht leisten können. Deshalb ist eine Art "aufsuchende Bildungsarbeit" ein wichtiger Baustein, um für alle Kinder und Jugendliche die gleichen Chancen auf Bildung auch während der Corona-Pandemie zu gewährleisten.

„Damit die soziale Spaltung sich nicht noch weiter verschärft, muss besonders im Bildungssystem ein Konzept für Chancengleichheit für Kinder und Jugendlichen mit besonderem Förderungsbedarf entwickelt werden“, so eine weitere Forderung des IB. Die Schüler*innen müssen in diesen besonderen Phasen stärker begleitet und unterstützt werden. Hierzu gehören neben dem Ausbau der Digitalisierung und dem damit verbesserten digitalen Unterricht, mehr und gut ausgebildete Fachkräfte an Schulen. Die sozialpädagogischen Ressourcen für die Förderbedarfe von Schüler*innen mit Lern- und Entwicklungsproblemen müssen erhöht werden. Sie benötigen mentale Unterstützung und Lernhilfen. Die pädagogische Arbeit der Schule muss eng mit der sozialen Arbeit verknüpft werden, so sollten den Kindern und Jugendlichen persönliche Ansprechpartner zur Seite stehen.

Dies gilt nicht nur für die Kleinsten im Bildungssystem. Auch viele junge Menschen im Übergang Schule - Beruf drohen derzeit abgehängt zu werden, wenn sich hier nichts ändert. Übergänge in die berufliche Ausbildung und in Hochschulen sind stark erschwert. Innerhalb der beruflichen Ausbildung und den Hochschulen zeigen sich Corona-bedingt dieselben Herausforderungen wie in der Schule: Lehrerfolg und soziale Teilhabe sind abhängig von dem sozialen Status und dem Vermögen der Eltern. Um gleiche Startchancen aller zu gewährleisten, bedarf es einem gleichen Zugang zu digitaler Infrastruktur und ausgleichender Fördermaßnahmen, die passgenau sind.

 „Die aktuellen Versäumnisse an Kindern und Jugendlichen werden sich unabsehbar auswirken. Deshalb muss jetzt gehandelt werden“, fordert die IB-Präsidentin. „Ansonsten werden die Startchancen von Kindern und Jugendlichen auf unabsehbare Zeit verschlechtert. Die aktuellen Versäumnisse an Kindern und Jugendlichen werden Weichen für deren Leben stellen.“


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