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„Ich habe es verstanden, ihr nicht!“ – Warum „Gefühlte Wahrheiten“ so wirkmächtig sind

Nachgefragt bei Jannes Rupf, Projektkoordinator Politische Bildung beim IB Süd, über Verschwörungserzählungen

Porträt von einem Mann, der in die Kamera schaut
Im Gespräch mit Jannes Rupf, der den Online-Workshop „Gefühlte Wahrheiten“ beim Internationalen Bund (IB) leitet. Foto: IB

„Vögel gibt es nicht – das sind alles Überwachungsdrohnen.” „Die Mondlandung war inszeniert.” „Die Erde ist eine Scheibe.” Verschwörungserzählungen gibt es zuhauf. Über manche kann man lachen, bei anderen ungläubig den Kopf schütteln. Und dann gibt es jene, die einen erstarren lassen – weil sie zutiefst menschenfeindlich sind.

Jannes Rupf ist seit 2017 Projektkoordinator für Politische Bildung beim Internationalen Bund (IB). In seinem Online-Workshop „Gefühlte Wahrheiten“ vermittelt er, wie Verschwörungsmythen entstehen und wie man ihnen begegnen kann. Im Interview erklärt er, welche Narrative aktuell verbreitet sind, wie er in seinen Workshops dagegen arbeitet und welchen Beitrag solche Angebote für die Demokratie leisten können.

Herr Rupf, Verschwörungserzählungen haben in der Corona-Pandemie besonders an Sichtbarkeit gewonnen. Welche Rolle spielen sie heute, was sind typische Narrative?

Mit dem Ende der Pandemie hat sich vieles auf den Ukrainekrieg verschoben. Trotzdem halten sich die Klassiker hartnäckig – ob die Behauptung, die Erde sei flach, oder Zweifel an 9/11, den Terroranschlägen in den USA im Jahr 2001.

Besonders oft begegnet uns das Narrativ vom „Großen Austausch“: Rechtsextreme Akteure behaupten, die weiße, christliche Bevölkerung werde gezielt durch Menschen mit Migrationsgeschichte ersetzt.

Geschichtlich betrachtet sind derartige Theorien jedoch nichts Neues – man denke an die Mondlandung 1969 oder die Mythen rund um das Attentat auf John F. Kennedy 1963. 

Für die einen sind solche Erzählungen eine Art Selbstaufwertung: „Ich habe es verstanden, ihr nicht.“ Für andere spielen Einsamkeit und das Bedürfnis nach Anschluss eine Rolle. 

Und durch die sozialen Medien haben Verschwörungserzählungen heute eine enorme Reichweite. Damit sie wirken, müssen sie emotional berühren – meist geschieht das über Angst.

Ihr Workshop trägt den Titel „Gefühlte Wahrheiten“ und will Verschwörungserzählungen entgegenwirken. Wie machen Sie das?

Zunächst einmal: Wir alle können für solche Erzählungen empfänglich sein. Nicht zuletzt, weil manchmal einzelne wahre Elemente darin stecken können. Problematisch wird es, wenn aus gesunder Skepsis ein Dauerzustand des Misstrauens wird – das kann bis zur Radikalisierung führen.

Unser Workshop soll ein kleines Puzzleteil sein, um gegenzusteuern. Wir stärken die Teilnehmenden darin, Verschwörungsbehauptungen zu hinterfragen: Wie finde ich heraus, ob etwas „fake“ ist? Wie kann ich dagegen argumentieren?  Ganz praktisch üben wir zum Beispiel mit der Google-Bilder-Rückwärtssuche, um zu prüfen, woher ein Bild tatsächlich stammt.

Wie können Bildungsangebote wie Ihr Workshop dazu beitragen, demokratische Werte zu stärken und Menschen widerstandsfähiger gegen Verschwörungserzählungen zu machen?

Demokratie lebt davon, dass wir uns austauschen, streiten und Fakten von Mythen unterscheiden können. Genau da setzen wir an. Wir sensibilisieren die Teilnehmenden dafür, wie Verschwörungserzählungen funktionieren, und zeigen Reaktionsmöglichkeiten: Wo kann ich etwas melden, wenn es in Richtung Volksverhetzung geht? Welche Beratungsstellen gibt es? Hier wären zum Beispiel „Der Goldene Aluhut“ oder „Veritas“ zu nennen.

Wichtig ist mir die Balance: Natürlich gibt es Verschwörungserzählungen, über die man lachen möchte. Aber andere ziehen brandgefährliche Folgen mit sich – man denke nur an das Attentat von Hanau. Das Spektrum ist groß. Deshalb gilt: Wir dürfen diese Erzählungen nicht verharmlosen, sondern müssen sie ernst nehmen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte Stefanie Vasa.

Wer lernen möchte, wie man Verschwörungserzählungen durchschaut und ihnen argumentativ begegnet, kann sich zum Online-Workshop „Gefühlte Wahrheiten“ anmelden. Er findet am 22. September 2025 von 9 bis 13 Uhr statt, richtet sich an Jugendliche ab 12 Jahren sowie Erwachsene und ist kostenfrei.

Hier geht es zur Anmeldung 

 

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